Seidenraupenzucht im "Waldwinkel"
Alexander Kneier
(geb. 7.1.1927, gest. 18.2.2012)
Das Haus im "Waldwinkel"
(nach einem Foto gemalt)
Viel ist heute nicht mehr zu sehen: eine Grube des früheren Kellers, Fundamentreste, ein großer Walnußbaum und auch ein alter Apfelbaum. Bald wird man ganz vergessen haben, daß sich einmal im sogenannten "Waldwinkel" zwischen Schwarzenhof und Warsow ein sehenswertes Anwesen mit einer Seidenraupenzucht befand.
Hier hatte Friedrich Wilhelm Viereck, Gutsbesitzer in Schwarzenhof, Anfang der 20ger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein großes zweistöckiges Gebäude errichten lassen. Es sollte sein Altersruhesitz werden. Die Wände des Wohnhauses bestanden aus gestampften Lehm und waren dann - mit Ziegelputzdraht versehen - verputzt worden. Das Haus hatte immerhin 13 Zimmer, ein Bad und eine Küche. Stromanschluß gab es nicht. Aber fließendes Wasser war da. Mit fünfhundert Pumpenschlägen war der 500 - Liter - Behälter unter dem Hausdach vollgepumpt. Bemerkenswert ist auch, daß das Haus einen Telefonanschluß hatte. Zum Komplex gehörten noch ein etwas kleineres Wohnhaus für den Hausmeister, welches im unteren Bereich als Stall genutzt wurde und oben zwei Zimmer und eine Küche hatte, ein kleiner Stall, ein Plätthaus, ein Pferdestall, eine Scheune und ein Schuppen für die Seidenraupenzucht.
Im sogenannten "Waldwinkel" zwischen Warsow und Schwarzenhof befand sich einmal eine Seidenraupenzucht
Mein Vater war Fleischbeschauer und kam in dieser Funktion viel herum. So kam er auch einmal mit dem Gutsbesitzer Viereck in´s Gespräch. Der fragte ihn, ob er nicht Interesse hätte, die Seidenraupenzucht im "Waldwinkel" zu übernehmen. Da hat mein Vater gesagt, ja, er wird sich das mal zusammen mit seiner Frau ansehen. Dann sind sie hingefahren und haben es sich angeschaut. Mein Vater war gleich davon überzeugt; Mutter nicht, weil es so einsam war. Dann haben sie es doch übernommen.
Im August 1938 verließen meine Eltern, Franz und Maria Kneier, die Stadt Teterow und zogen mit mir in das abgelegene Haus im "Waldwinkel" ein. Ich war damals elf Jahre alt.
Die Seidenraupenzucht war hier gerade eingerichtet worden. Die Baracke dafür stand, und die Tierchen waren auch schon da. Man hatte die Seidenraupenzucht von Crambeersmoor, wo Franz Reder sie bisher betreut hatte, in den "Waldwinkel" verlegt. Nur die Futterblätter kamen noch vom alten Standort, da erst neue Maulbeerbäume angepflanzt werden mußten. Mein Vater betrieb nun die Seidenraupenzucht im Auftrag von Herrn Viereck weiter. Wir bekamen auch Deputat und jedes Jahr ein Schwein zum Schlachten. Milch durften wir uns jeden Tag von Schwarzenhof holen, und Hühner konnten wir auch halten.
Das Wohnhaus im "Waldwinkel"
Franz Kneier mit Irmi (Cousine von Alexander Kneier),
rechts die Baracke der Seidenraupenzucht im "Waldwinkel"
(etwa 1938)
Mir gefiel es hier. Es war zwar etwas einsam, aber wir lebten ungestört in der freien Natur. Ich mußte nach Neukalen zur Schule, weil der Lehrer Müller in Warsow gestorben war. Die ersten vier Wochen bin ich zu Fuß hingegangen, dann hat mein Vater mir ein Fahrrad gekauft, für 12 Mark bei Pansow in Neukalen. Im Sommer war es schön, nur im Winter nicht. Dann trafen wir Schüler uns an der Kreuzung. Der Älteste war Willi Ziems; und der probierte dann im Winter aus, ob Glatteis war. Einmal fiel er auf den Hintern, da kehrten wir wieder um. Herbert Meier hat nicht mitgemacht und ist zur Schule gefahren. Am anderen Tag kamen wir ja auch wieder; da sagte Rektor Pagels zu uns: "Na, ihr Ausländer, seid ihr auch da!"
Die Saison für die Seidenraupenzucht begann etwa im Mai, wenn die Maulbeerbäume Blätter bekamen. Aus Celle kam die Brut. In einer Schachtel waren 30 000 Eier. Am Anfang wurde nur jedes 3. Blatt, von der Zweigspitze her gerechnet, gepflückt; was anderes fraßen die frisch geschlüpften Raupen nicht. Wenn ich von der Schule kam, die meistens um 12.30 Uhr aus war, dann wurde gegessen. Wenn ich gegessen hatte, wurden gleich Schularbeiten gemacht. Und dann war ich immer mit meinen Gedanken bei Schoknecht beim Pferdefüttern oder beim Kühefüttern oder dies und jenes. Das merkte mein Herr Vater ja, dann kriegte ich ein paar hinter die Ohren, und dann war ich wieder wach. Und dann sagte er: "So jetzt los, Blätterpflücken." Für die Blätter hatten wir Zigarrenschachteln, da waren Brasilzigarren drin gewesen - die stammten wohl vom Vater Viereck, nehme ich an - und dann wurden sie voll gepflückt. Die frischen Blätter haben wir zu den Raupen gelegt, immer den Stengel nach oben. Die Blätter mußten auseinander liegen; und wehe, man packte sie nicht vernünftig bei den Raupen hin. Auf einer 10 m langen Stellage standen die etwa 50 x 50 cm großen Kästen mit den Eiern und den geschlüpften Raupen. Auf die Regalkästen wurde Gaze gelegt. Die Raupen schlüpften nicht alle am gleichen Tag. Wenn Raupen geschlüpft und auf den Blättern waren, haben wir sie in drei Reihen runter gelegt. War ein Blatt abgefressen, wurde die Raupe weiter auf ein neues Blatt gelegt, bis sie eine bestimmte Größe hatte. Zuletzt konnte man auch schon ganze Zweige der Maulbeerbäume zum Abfressen auf ein Tablett kreuzweise hinlegen. Da kletterten die Raupen rauf, und man konnte dann die Zweige mit den Raupen weiterlegen. Und so wanderten die Raupen von ganz klein bis ganz groß immer ein Stück weiter. Die Raupen waren weiß und hatten hinten einen Stachel. Vom nassen Laub konnten sie die Gelbsucht bekommen. Das erkannte man, wenn der Stachel ein Stück abgeschnitten wurde. Diese Raupen wurden herausgenommen und vernichtet. Nach etwa acht Wochen hatten sich die Raupen in einen Kokon eingesponnen. Innerhalb von zwei Tagen wurden die fertigen Kokons eingesammelt, in Weidenkörbe verpackt und nach Celle zur Verarbeitung gesandt. Hier tötete man die Raupen in den Kokons mit heißem Wasser ab. Der Seidenfaden mußte nun abgewickelt werden. Etwa 800 m war der Faden lang, davon waren die ersten 600 m gute Qualität und z. B. für Fallschirmseide geeignet. Einige Kokons wurden nicht abgetötet. Hier schlüpften dann die weißen Schmetterlinge und legten die Eier für die nächste Brut.
Zum Haus gehörte ein großer Gemüsegarten, auch Obstbäume und Spargelbeete. So waren wir gut versorgt. Wir hatten auch einen Hühnerstall. Vom Gut bekamen wir hundert Hühner der Rasse "Italiener"; die mußten wir füttern und konnten dafür von zehn Eiern eines behalten. Ich bin mal mit einer vollen Tasche mit hundert Eiern hingefallen, weil ich mit der Pedale an einem Stubben hängen geblieben bin. Da konnte ich keine hundert Eier in Schwarzenhof abgeben, und zu Hause gab´s welche hinter die Ohren.
Mein Vater starb bereits im Oktober 1941. Ich bin bis 1942 in Neukalen zur Schule gegangen und habe dann meine Kaufmannslehre in der Seestadt Wismar angetreten. Bis 1943 wohnte meine Mutter nun alleine im "Waldwinkel". Dann zog Paul Schröder, der Bruder meiner Mutter, auf Grund der Bombenangriffe in Berlin mit seiner Familie zu ihr. Schröders verließen das Haus aber bald wieder und zogen nach Neukalen. Damit sie nicht so alleine wohnen mußte, holte meine Mutter Familie Buddelmann in´s Haus.
Im März 1944 wurde ich zur Wehrmacht eingezogen. Ein schicksalsentscheidender Zufall brachte es aber mit sich, daß ich am 25.4.1945 drei Tage Urlaub bekam. Wer weiß, was sonst aus mir geworden wäre. Als die Rote Armee einmarschierte, war ich zu Hause und am Leben.
Mit dem Kriegsende war es auch mit der Seidenraupenzucht vorbei. Im kleineren Haus war Familie Köpsel untergebracht. Die Frau war auf der Flucht gestorben.
Schwarzenhof wurde von den Russen als GPU-Lager eingerichtet. Sämtliche Einwohner mußten das Gut verlassen; etwa die Hälfte kam nach Schorrentin, während die restlichen zwanzig bis fünfundzwanzig Personen in dem Haus am "Waldwinkel" unterkommen mußten. Die Frauen mußten in Schwarzenhof die Kühe melken. Wer das nicht konnte, hatte die Kannen zu waschen. Gearbeitet wurde nach Moskauer Zeit, d. h., früh um 3.00 Uhr hieß es aufstehen zum Kühemelken.
Meine Frau war am 25.10.1938 aus Westfalen nach Warsow gekommen. Ihr Vater suchte damals einen größeren landwirtschaftlichen Betrieb zu kaufen. In Warsow wollte Roloff, dem die Frau gestorben war, seine Bauernstelle verkaufen. Die Eltern meiner Frau erwarben das Haus. Man lernte sich kennen. Als 1948 meine Mutter starb, zog ich in das Roloff´sche Haus und wirtschaftete mit meiner Schwiegermutter. Familie Buddelmann blieb noch bis etwa 1950, dann stand das Haus am "Waldwinkel" leer. In den folgenden Jahren verfiel das schöne Gebäude. Die Dachrinne war kaputt, der Regen weichte die Lehmwände auf, vieles wurde entwendet; und so war es Anfang der 60ger Jahre nur noch eine zusammengefallenen Ruine. Die letzten Reste wurden mit einem Bulldozer zusammengeschoben und das Gelände eingeebnet. Die früheren Maulbeerbäume, die östlich vom Haus standen, waren schon vorher herausgerissen worden. Jetzt ist hier alles Ackerland.
Ab etwa 1955 wohnten meine Frau und ich bei Junghans. 1958 wurde unser Haus am Bäckerweg gebaut. Ein Bild an der Wand zeigt das verschwundene Haus im "Waldwinkel" und hält die Erinnerung an eine schöne Kinderzeit wach.
Irma Kneier, geb. Westebbe (geb. 14.2.1932)
und Alexander Kneier (geb. 7.1.1927)
Bilder aus dem "Waldwinkel"
Franz und Maria Kneier mit Sohn Alexander
und dessen Cousine Irmi (1938)
Alexander Kneier, seine Tante Grete und
die Cousine Irmi im "Waldwinkel" (etwa 1938)
Alexander Kneier mit seiner Cousine Irmi
vor dem Haus im "Waldwinkel" (etwa 1938)
Alexander Kneier mit seiner Cousine Irmi
vor dem Haus im "Waldwinkel" (etwa 1938)
Beim Pflücken der Maulbeerblätter
Von links: Elsbeth Schmidt, Resel Schröder,
Maria Kneier und Martha Kustus
Maria und Franz Kneier (7.7.1940)
Besuch im "Waldwinkel"
Maria Kneier
Maria Kneier und Tante Resel
Louise Wandel und Irmchen Schmidt
Paul Kneier und Bernhard Ladwig
Von links: Franz Kneier, Tante Gretel,
Maria Kneier und Alexander Kneier
Der Seidenbauer bei der Arbeit
(Aus dem "Amtsblatt des Kreisausschusses des Kreises Malchin" vom 8.7.1937)
In der Zeit vom 1.8. bis 15.8.1937 steht der Seidenbaubetrieb des Herrn F. W. Viereck, Schwarzenhof, allen Volksgenossen zur Besichtigung frei. Den deutschen Seidenbauern sind bekanntlich im Rahmen des Vierjahresplanes hinsichtlich der Sicherstellung des Rohstoffes "Seide" wichtige Aufgaben übertragen worden. So wird überall dort, wo ertragsfähige Maulbeerpflanzungen vorhanden sind, zurzeit die Aufzucht von Seidenraupen aus den Eiern des Seidenspinners zum Zwecke der Kokonerzeugung betrieben, was nicht nur von großer Bedeutung für unsere Volkswirtschaft ist, sondern dem Einzelnen auch eine beachtliche Nebeneinnahme einbringt. Die in vielen Gemeinden angelegten Neuanpflanzungen ermöglichen in den nächsten Jahren zahlreichen Volksgenossen, sich gleichfalls mit Seidenbau zu befassen.
Um Einblick in die ebenso interessanten wie leichten Arbeiten des Seidenbaues, mit dem sich auch ältere Volksgenossen, ja sogar ältere Kinder, befassen können, zu gewinnen, kann der Besuch des genannten Betriebes in der oben angegebenen Zeit nur empfohlen werden. Der Inhaber ist gern bereit, Auskunft zu erteilen, die darüber hinaus jeder Interessent auch durch die Reichsfachgruppe Seidenbauer e. V. im Reichsverband Deutscher Kleintierzüchter e. V., Berlin W 9, Potsdamerstraße 134 erhalten kann.
Durch Teilnahme an einem mehrtägigen kostenlosen Kursus in dem erwähnten Betrieb, der seitens der Reichsfachgruppe als Beispielrauperei eingerichtet ist, ist jedem Gelegenheit gegeben, die für den Seidenbau notwendigen Kenntnisse zu erwerben.
Seidenbau - Interessenten!
Besucht Kurse in den Beispielsraupereien!
(Aus dem "Amtsblatt des Kreisausschusses des Kreises Malchin" vom 8.6.1939)
In zahlreichen Gemeinden wurden in den vergangenen Jahren Maulbeeren gepflanzt, die nunmehr so weit herangewachsen sind, daß an ihre Nutzung durch Seidenbau gedacht werden kann.
Interessenten, die in Zukunft diese von den Gemeinden geschaffenen Maulbeerkulturen zum Zwecke des Seidenbaues übernehmen wollen, wird empfohlen, vor Beginn eigener Zuchten an einem Kursus in einer von der Reichsfachgruppe Seidenbauer anerkannten Beispielsrauperei teilzunehmen. Die Kurse beginnen Anfang Juli und werden fortlaufend bis Ende August durchgeführt. Dem einzelnen wird empfohlen, wenigstens 6 Tage in einer Beispielrauperei tätig zu sein, wo er zu diesem Zeitpunkt den gesamten Entwicklungsgang des Seidenspinners und alle für den Seidenbauer in Betracht kommenden Arbeiten kennenlernt. Interessenten, die bei dem Besuch einer Beispielrauperei gezwungen sind, außerhalb ihres Wohnortes zu übernachten, können auf Antrag eine Beihilfe von 3,- RM. durch die Reichsfachgruppe Seidenbauer erhalten. Mitteilungen über die nächstgelegene Beispielrauperei wie auch über den Seidenbau selbst erteilt die Reichsfachgruppe Seidenbauer e. V., Berlin W 50, Neue Ansbacher Straße 9, die auch die Anmeldungen zu den Kursen entgegennimmt.
Ergänzung zur Seidenraupenzucht
In Warsow gab es bereits 1926 eine "Seidenbau - Farm", die im Gehöft Nr. 2 (niederdeutsches Hallenhaus von Meta Grambow) untergebracht war. Als Besitzer ist auf einer Ansichtskarte Johannes Freckmann verzeichnet. Leider ist über diese "Seidenbau - Farm" weiter nichts bekannt.
Gutsbesitzer Friedrich Wilhelm Viereck
Friedrich Wilhelm Viereck, Gutsbesitzer in Schwarzenhof, ließ 1920/21 auf seiner Feldmark im sogenannten "Waldwinkel" zwischen Schwarzenhof und Warsow ein großes Wohnhaus "in Lehmstampfbau nach dem Verfahren von Herrn Eilmann" mit Nebengebäuden errichten.
Die ersten Bewohner waren Toni und Franz Reder. Toni Hermine Adelheid Auguste Maria Ella Reder, geb. Viereck war die Schwester des Gutsbesitzers Friedrich Wilhelm Viereck. Sie war verheiratet mit dem Rittmeister Franz Theodor August Adolf Albrecht Reder. Um 1918 hatte er das Gut Wozeten verkauft und war zunächst nach Waren gezogen. 1921 richteten sich Toni und Franz Reder im fertiggestellten Haus im "Waldwinkel" ein. Am 20.7.1921 wurde Franz Reder Mitglied der Neukalener Schützenzunft.
Im Frühjahr 1920 hatten die Gutsbesitzer Alfred Viereck auf Schorrentin und Friedrich Wilhelm Viereck auf Schwarzenhof einen Teil ihres Landbesitzes nördlich des Schorrentiner Bahnhofs an die in Rostock ansässige "Mecklenburgische Kleinsiedlung e.G.m.b.H. verkauft. Hier sollten 3 Siedlungen für Kleinbauern entstehen. Im August 1920 kaufte der Rittmeister Franz Reder die gesamte Fläche und ließ ein Wohnhaus mit Wirtschaftsgebäude errichten, welches nach dem in der Nähe liegenden "Crambeersmoor" benannt wurde. Er blieb aber im Haus am "Waldwinkel" wohnen und verpachtete das Siedlungsgut ab 1.4.1922 an den Landwirt Helmuth Voss aus Hagensruhm.
1926 wurde ein Seidenraupenhaus in "Crambeersmoor" gebaut, nachdem vorher die notwendigen Maulbeerbäume angepflanzt waren.
Ab 1935 betrieb der jüngste Sohn von Toni und Franz Reder mit seiner Frau die Landwirtschaft in Crambeersmoor und hat dort auch die Seidenraupenzucht noch mitgemacht. Im Frühjahr 1939 ging dann die Familie nach Güstrow. Danach hat Franz Reder (der älteste Sohn von Toni und Franz Reder, geb. 3.7.1901 in Wozeten) als Erbe die Landwirtschaft übernommen. Er wurde am 01.05.1945 erschossen.
Franz Reder senior wohnte bis zu seinem Tod am 30.11.1936 im Haus im "Waldwinkel". Interessant hört sich an, was Wilhelm Hilbricht - zu dieser Zeit Tischlergeselle beim Tischlermeister Schacht in Neukalen - später dazu erzählte:
"In einem Gehöft zwischen Warsow und Schwarzenhof wohnte einmal ein Mann, welcher der Freimaurerloge angehörte. Er kam eines Tages zum Tischlermeister Schacht und bestellte einen Sarg, da er - wie er sagte - bald sterben würde. Auf die ungläubigen Blicke der Lehrlinge und Gesellen, erzählte er, daß er jetzt an der Reihe sei. Einmal konnte er seinen Tod noch an einen anderen freikaufen. Das geht jedoch nur einmal, und nun muß er sterben. Der andere war damals kurze Zeit später verstorben. Nachdem er den Sarg bestellt und auch noch einmal angesehen hatte, war er etwa drei Wochen später tatsächlich tot."
Nach dem Tod von Franz Reder zog seine Witwe Toni Reder nach Dargun. Kurzzeitig waren dann Erika Marianne Toni Else Gustava Hass, geb. Viereck (sie war die Tochter des Gutsbesitzers Friedrich Wilhelm Viereck) und ihr Ehemann Herwart Werner Konrad Hass Bewohner von "Waldwinkel".
Herwart Hass sollte die Seidenraupenzucht weiter betreiben, daran hatte er aber keinen großen Gefallen. Unter seiner Regie ging der Umzug der Seidenraupen von "Crambeersmoor" nach "Waldwinkel" vonstatten. Herwart Hass wurde dann Platzlandwirt bei der Luftwaffe und zog mit seiner Familie in das Gutshaus Schwarzenhof. Das Haus stand nun leer, bis im August 1938 Maria und Franz Kneier in das Haus einzogen.
Toni und Franz Reder
Toni und Franz Reder
Toni Reder
Toni Reder im "Waldwinkel"
Toni und Franz Reder mit ihren Enkelkindern
im "Waldwinkel":
hintere Reihe von links: Elisabeth (Maxi) Hoffmann, geb. 7.8.1926; Anna-Lore (Loli) Hoffmann, geb. 16.3.1924; vordere Reihe von links: Peter Hoffmann, geb. 14.9.1930, Franz Reder, geb. 3.3.1934, gest. 19.4.1993, Klaus Busse, geb. 7.6.1930, gest. 19.9.1997, Achim Hoffmann, geb. 29.8.1927
In dieser Baracke am Bahndamm in Neukalen war von
1938 bis 1945 eine Seidenraupenzucht untergebracht.
(Aufnahme vom Herbst 1985)
Auch in Neukalen wurde 1938 auf Empfehlung eine Seidenraupenzucht eingerichtet. Es meldeten sich die Bürger Peters und Petersen, die zur Ausbildung zum "Waldwinkel" geschickt wurden. Die Stadt ließ hinter der Bleiche am Bahndamm (heutiger Standort Wohnhaus Brusch) einen 50 m² großen Schuppen für 1300,- Reichsmark errichten, der 6 eiserne Fenster hatte. Maulbeerbäume wurden am Warsower Weg, südlich der Baracke am Bahndamm und östlich vom Schäferteich gepflanzt (hier ist heute noch ein Baum vorhanden). 1945 war Schluß. Die Baracke übernahm die "Firma Schulz & Co Mechanische Werkstätten Neukalen", die hier für die Flüchtlinge Kochgeräte, im Volksmund "Kochhexen" genannt, herstellten (daher auch der Name Hexenschulz für die Firma).
Seidenspinner (Bombyx mori)