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Die Bäckerei Oehlkers in Warsow
Horst Burmeister
Wann genau die Bäckerei gegründet wurde, konnte leider nicht mehr festgestellt werden. Sie befand sich im Haus Nr. 3, heute Familie Schultz. Bäckermeister Carl Heinrich Oehlkers, geb. am 16.07.1879 in Winsen an der Luhe, gest. am 28.01.1954 in Dargun, gründete sie wohl Anfang der 30-er Jahre. Verheiratet war er mit Martha Röder, geb. 17.07.1890 in Retzow, gest. am 31.07.1951 in Demmin. Sie war zuvor Wirtschafterin bei einem Bauern in Warsow. Aus dieser Ehe, die am 10.09.1924 in Schorrentin geschlossen wurde, ging Tochter „Elisabeth“ hervor, die aber bereits im Alter von vier Jahren verstarb. Am 01.01.1928 wurde Sohn „Karl-Heinz“ geboren.
Bäckermeister Carl Heinrich Oehlkers war in jungen Jahren lange Zeit zur See gefahren. Davon zeugten auch viele Bilder von Schiffen, die den Weg zur Backstube und zum Verkaufsraum verzierten. Von Kiel kommend blieb er in Warsow.
Hier gab es vor langer Zeit eine öffentliche Backstube. Diese öffentlichen Backstuben stammen aus der Zeit nach 1750. Zu der Zeit gab es eine große Holzknappheit. Glashütten verbrauchten sehr viel Holz, Laub wurde zur Vieheinstreu benutzt und Vieh wurde im Wald gehütet. Auf Geheiß des Großherzogs wurden minderwertige Äcker aufgeforstet und somit unter anderem die Judentannen und öffentliche Backstuben zur Holzeinsparung geschaffen.
Aus Erzählungen meiner Großmutter weiß ich, dass diese Backstube wohl noch bis zum I. Weltkrieg benutzt wurde. Sie befand sich in der heutigen Weide nördlich vom ehemaligen Hof von Adolf Grambow. Bis 1986 zeugte noch ein kleiner Hügel mit Mauerstein- und Kachelresten von seiner Existenz.
Doch nun zurück zur Bäckerei Oehlkers. Neugierig auf dieses Thema wurde ich, da mein Vater Karl Hermann Walter Burmeister, geb. 25.03.1910 in Demmin, gest. 09.09.1985 in Warsow, im Jahre 1938 nach Warsow kam, um beim Bäckermeister den Verkaufswagen zu fahren sowie ihm die Landwirtschaft zu führen. Vorher arbeitete mein Vater auf dem Gut Klenz bei Jördensdorf.
Zwei Mal die Woche fuhr er dann mit dem geschlossenen Brotwagen die Orte Schwarzenhof Ausbau, den Waldwinkel, Wagun, Schwarzenhof, Kützerhof, Crambersmoor, Schorrentin, Schönkamp sowie den Schorrentiner Bahnhof ab.
Alexander Kneier, der seine Kinder- und Jugendjahre im Waldwinkel, wo sein Vater eine Seidenraupenfarm betrieb, verlebte, sagte mir: „Es war schon ein kleines Ereignis, wenn mir meine Mutter vom Brotwagenkutscher eine Streuselschnecke zu 10 Pfennig oder einen Wasserkringel zu 25 Pfennig kaufte.“
Mittagessen bekam mein Vater bei seinen Touren auf dem Gut Schwarzenhof. Hier traf er auch dann den Briefträger Blankschen aus Neukalen. Dieser trug die Post in alle umliegenden Dörfer Neukalens aus. Pakete trug er schon morgens immer zur Molkerei, wo die Milchkutscher ihm diese Last abnahmen.
Nebenbei möchte ich bemerken, dass Briefträger Blankschen kein Fahrrad benutzen durfte, und es ihm während des Krieges besonders schwer fiel, Briefe zu überbringen, welche schwarz umrandet waren.
Zur Landwirtschaft der Bäckerei Oehlkers gehörte etwas mehr als ein Hektar eigenes Land sowie Pachtland der Gemeinde Warsow. Wiese und Weideflächen gehörten ebenso der Gemeinde Warsow. Beim täglichen Kühe zur Weide führen lernten sich meine Eltern kennen. Meine Mutter, Ilse Pauline Lisette Burmeister, geb. Möller, geb. am 02.01.1921 in Kiel, gest. 23.11.1999 in Dargun, merkte, dass sie vom Nachbargrundstück beobachtet wurde, wann sie wohl endlich mit den Kühen losgeht. Und so kam es, dass sie ein Paar wurden.
Doch bereits am 20.06.1939 wurde mein Vater zur Wehrmacht einberufen. Von da kehrte er erst am 13.05.1949 aus russischer Gefangenschaft zurück. Inzwischen wurde schon meine Schwester „Bärbel“ am 30.05.1944 geboren sowie die Heirat meiner Eltern am 30.12.1944 standesamtlich in Schönkamp und anschließend in der Kirche zu Schorrentin vollzogen.
Karl-Heinz Oehlkers besuchte das Gymnasium Malchin und lernte ebenfalls den Beruf des Bäckers bei Bäckermeister „Schmuhl“ in Malchin. Danach ging er zum Arbeitsdienst. Doch bereits im Januar 1945 musste Karl-Heinz Oehlkers zur Wehrmacht einrücken. Seine Grundausbildung absolvierte er zusammen mit dem heutigen Fischermeister Heinz Schliemann aus Faulenrost. Im Mai 1945 kam er in englische Gefangenschaft, aus der er erst 1948 zurückkehrte. Nach seiner Entlassung arbeitete er bei seinem Vater in der Backstube.
Als mein Vater 1938 nach Warsow kam, hatte der Bäckermeister zwei große Füchse vor seinem Wagen. Nun war mein Vater auch nicht der Größte, ca. 1,65 m. So sagte er beim Aufsiedeln der Pferde immer: „Nu kummt ma runner mit juchen Koop“. Später, während des Krieges und auch danach, gehörte nur noch ein Pferd zur Bäckerei.
Ab 1940 war ein französischer Zwangsarbeiter beim Bäcker angestellt. Er pflanzte auch die Hecke zur Straße hin, die lange Zeit das Grundstück abschloss.
Tradition war es auch, dass man zur Weihnachtszeit Pfeffernüsse zum Backen in die Backstube brachte. Die Kuchenbleche waren gekennzeichnet mit einem Teigbuchstaben des jeweiligen Besitzers. Was konnte der Bäckermeister schimpfen, wenn die Pfeffernüsse auf dem Blech fest waren, denn während des Krieges und auch danach war Fett knapp.
Meine Mutter berichtete, dass Herr Oehlkers sen. öfters auch mal ein Brot über den Zaun gab. Flüchtlingskinder, die im "Waldwinkel" untergebracht waren, holten sich auf ihrem Schulweg nach Warsow eine Sirupstulle bei meiner Mutter bzw. bei meinen Großeltern ab. Wie geht es uns doch heute gut!
Frisch gebackenes Brot wurde oft zum Auskühlen auf den Torweg gestellt, doch auch der Flüchtlingsjunge Willi Päpke bekam dies mit. Nicht nur, dass er Brotmarken aus der Zigarrenkiste im Verkaufsraum stahl, sondern er stahl auch einmal Brote aus dem Torweg. Ein Versteck hatte er auch schnell gefunden, die Strohmiete von Fritz Niclas. Doch dieser hatte zur gleichen Zeit eine Sau mit Ferkeln, und damals liefen die Ferkel noch frei auf dem Hof. So kam eines zum anderen. Sie fanden das Brot und fraßen es auf. Zeitzeugen erzählten, Willi Päpke hätte fürchterlich geweint, als er den Verlust bemerkte. Er ist später nach Kanada ausgewandert.
Im Haus des Bäckermeisters waren auch etliche Flüchtlinge untergebracht, so z.B. Elli Riemer mit Mutter, Ernst Roloff sowie Otto und Erna Liebenow, die sogar noch bis zu ihrem Tode in den 80-er Jahren in dem Haus wohnten.
Irma und Alexander Kneier erinnern sich noch an die Zeit nach dem Krieg, als wieder normale Verhältnisse Einzug hielten. Oft gab es am Sonnabend Abend Tanz in der Gaststätte Warsow, also bei Bury, wie die Wirtsleute hießen. So kam es auch vor, dass es zu Schlägereien kam und, wenn es ganz schlimm wurde, liefen die Einheimischen zum Giebel des Bäckerhauses und griffen sich die ca. einen Meter langen Holzscheite, die zum Heizen des Backofens gedacht waren. Oh, was konnte Bäckermeister Oehlkers dann schimpfen, wenn sein Holz am Sonntag Morgen wieder zusammen gesucht werden musste.
Karl-Heinz Oehlkers lernte nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft auch seine spätere Ehefrau kennen. Am 02.01.1953 heiratete er Dora Zimmermann, geb. am 27.10.1932 in Stettin. Nach der standesamtlichen Trauung kam noch die kirchliche am 04.01.1953 dazu, dem bald auch die Geburt der Tochter Gudrun in Warsow folgte.
In der heimatlichen Backstube sah Karl-Heinz Oehlkers für sich und seine Familie keine Zukunft. Im Herbst 1953 fuhr Ulli Niclas sie mit dem Pferdewagen zum Zug nach Neukalen. Die Fahrt ging nach Mühlheim an der Ruhr. Doch bereits 1957 zog es die Familie nach Kanada. Karl-Heinz arbeitete dort immer als Bäcker in Calgary. Sie wechselten mehrmals ihren Wohnort, Winnepeq, Calgary, Kelowna an der Pazifikküste, und heute verbringen sie ihren Lebensabend in Calgary. Dort lebt auch ihre Tochter Gudrun mit Familie.
All die Jahre in der „Neuen Welt“ hielt Familie Oehlkers aber Kontakt mit Warsow. Mehrere Besuche in Warsow oder bei Verwandten in der Nähe zeugten davon.
Ich wünsche Dora und Karl-Heinz, die besonders mit meinen Schwestern und mir in Kontakt stehen, beim Lesen dieser Zeilen viele gute Gedanken an Warsow.
Karl-Heinz Oehlkers, Herbert Meyer und Willi Davids (1944)
Martha Oehlkers vor dem Haus Nr. 3 (1946)
Martha Oehlkers auf dem Hof (1946)
Haus Oehlkers mit Herrn Liebenow davor
(ca. 1953 Konsum und Bäckerei)
Familienhaus Oehlkers mit Gudrun Oehlkers (1967)
Gudrun Oehlkers und Frau Liebenow (1967)
Von links: Herr und Frau Liebenow, Gerda Schley, Gudrun Oehlkers (1967)
Karl-Heinz Oehlkers 1972 zu Besuch bei Familie Liebenow
Karl-Heinz Oehlkers 1972 zu Besuch bei Familie Liebenow